Nie wieder Malta: Was Rhonda während der Corona Pandemie in Gozo erlebte

Im Mai erreichte uns diese lange und enttäuschte mail von Rhonda, die eigentlich vor hatte, mit Ihrem Mann für längere Zeit in Malta zu leben. Dazu ist es nicht gekommen und wird es auch wohl nicht mehr.  Ihr Fazit steht fest: Nie wieder Malta.

Wie das alles passierte und was Ihr alles geschah, schildert Sie selbst (gozo.de: Wir haben einige Passagen gekürzt).

 

In Quarantäne auf Malta – Grazzi!

Ich habe in der Vergangenheit Malta und seine Bewohner stets als höflich, freundlich und hilfsbereit kennen gelernt und mich auf den Inseln sehr heimisch gefühlt, daher wollte ich etwas zurück geben und dem Krankenhaus ein Beatmungsgerät spenden. Was mir aber während der Krise hier passierte, hat mich bitter enttäuscht und schockiert. Es wird lange dauern, das zu überwinden.

Mein Mann und ich hatten von einem angeblichen Arzt eine neue Wohnung als Ausgangspunkt für unsere geplante Immobiliensuche angemietet. Nach den vielen Reisen in den letzten zwei Jahren wollten wir uns hier ein Haus kaufen und es vor dem Einzug nach unseren Wünschen gestalten. Während dieser Zeit wollten wir einen Meerblick genießen, den unser bisheriges Apartment nicht hatte.

Während mein Mann geschäftlich noch in Australien tätig war, nutzte ich die Zeit bis zum Einzug in die andere Wohnung, um unsere persönlichen Dinge aus der alten auszuräumen und zwischenzulagern. Im Anschluss reiste ich zu meinem neu geborenen Enkelkind nach Österreich als ich dort unvermittelt von der maltesischen Grenzschließung erfuhr.

Die Aus- und Einreise

Über die maltesische Botschaft wurden die Ausreisen von den Flughäfen Paris, Frankfurt und Zürich organisiert und die Maklerin, die uns die Wohnung vermittelt hatte, buchte für mich einen Abholservice vom Flughafen in Malta.

Nach dem Einchecken in Frankfurt (Fr. ca. 17.00 h) erreicht mich ihre WhatsApp, dass mich keiner abholen würde. Der Fahrer dürfte nicht fahren, da ich unter Quarantäne stehen würde. Hätte ich dieses eher erfahren, ich glaube, ich wäre nicht geflogen. Außerdem sollte der Chauffeur meine große Tasche mit etwas warmer Kleidung, Kosmetika und Laptop, die ich bei der Maklerin gelassen hatte sowie Milch, Mineralwasser und Toilettenpapier mitbringen.

Später setzte mich eine weitere Nachricht des Vermieters in Kenntnis, dass ich unten im Flur des Mietshauses den Hauptwasserhahn für die Wohnung aufdrehen müsse.

Corona Hinweisschild Malta Airport
Corona Hinweisschild Malta Airport, Foto: Rhonda

Auf dem Rollfeld in Frankfurt wurde vor dem Einstieg in die Maschine bei jedem Passagier Fieber gemessen. Im Flugzeug mussten Fragebogen (Name, Adresse, Kontaktdaten für den Notfall) ausgefüllt werden, die nach der Landung auf Malta direkt auf dem Flugfeld eingesammelt wurden.

Danach sowie im Flughafengebäude (23:20 h) wurde anschließend jeder sich selbst überlassen.

Ein Schalter einer Leihwagenfirma (ca. 23:30 h) war noch offen. Ein Auto wurde mir aber verweigert, mit der Begründung ich könnte es die nächsten 14 Tage nicht zurückgeben und das wäre dann viel teurer als ein Taxi.

Zu meiner Überraschung bekam ich problemlos ein Taxi. Allerdings raste der Fahrer mit überhöhter Geschwindigkeit über die nächtliche Insel, so dass ich mir Angst und Bange wurde.

 

Die Fähre

Foto: Rhonda
Cirkewwa Ferry Terminal, Foto: Rhonda

Am Hafen angekommen (Sa. 0:10 h), ließ man nach dem Fiebermessen Einheimische,  Chinesen und Engländer auf die Fähre. Während es uns Passagieren der Maschine aus Frank-furt nicht gestattet wurde. Wir sollten eine Gesundheitsbescheinigung vorlegen. Wo wir die mitten in der Nacht erhalten sollten, konnte aber nicht geklärt werden. Es folgten lange Diskussionen und diverse Telefonate. Nach Stunden wurde uns erklärt: der Ehemann einer Mitreisenden namens Martina*, der bereits in Quarantäne war, sollte mit seinem Auto aus Gozo mit der nächsten Fähre herüber kommen, uns drei mit unserem Gepäck einladen und wir sollten alle in dem „verschlossenen“ Wagen bleiben bis er mit uns die Fähre in Gozo verlassen würde. Das hatte unter Aufsicht des Fährpersonals zu erfolgen.

Dabei konnte weder der Sicherheitsabstand eingehalten werden, noch trugen die anderen Personen eine Maske. Zudem ist es verboten,  während der Überfahrt im Auto zu bleiben. Ich verstehe nicht, warum hier gegen sämtliche Vorschriften verstoßen wurde und zudem noch die Gesundheit aller einem hohen Risiko ausgesetzt werden musste. Es war nicht sicher, dass wir alle gesund waren.

In jener Nacht gab es kaum Passagiere. Es wäre daher einfach gewesen,  uns von den anderen Passagieren abzuschirmen. Auf dieser großen Fähre wäre es ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, uns drei von den anderen höchstens zehn Menschen völlig zu trennen. So hätte man zudem alle Vorschriften einhalten können.

Offiziell hieß es, dass uns die Fähre hätte befördern müssen, aber uns eigentlich kein Taxi-fahrer hätte fahren dürfen, andererseits durften wir Bus fahren.

Wo ist da die Logik? Zumal im gleichen Atemzug mitgeteilt wurde, daß es zwar nicht verboten, aber dennoch nicht erwünscht wäre, Busse zu benutzen.

Die Wohnung

Der andere Passagier, ein älterer Malteser namens Ron* hatte sein Auto auf dem Hafenparkplatz abgestellt und bot mir an, mich zu meiner Wohnung zu fahren (Sa. ca. 4:40h).

Dort half er mir, den richtigen Wasserhahn im dunklen Treppenhaus zu finden und mein Gepäck nach oben zu schleppen.

Es gab zwar einen Fahrstuhl, aber für diesen hatte ich nicht den dazu benötigten Schlüssel.

Wenigstens der Wohnungsschlüssel lag unter der Fußmatte. Aber die Tür war nicht aufzu-bekommen. Ich wollte nicht den Schlüssel abbrechen, bis wir feststellten, dass Schloss war gar nicht schließbar. Die Tür klemmte und war nur mit Gegenwerfen auf zu bekommen.

Kaum flog die Tür auf, stieg ein aggressiver Farbgeruch in unsere Nasen.

Im Apartment saß Ron bereits mit einer Flasche – vermutlich Cognac – am Küchentisch bevor ich überhaupt wusste, wie mir geschah und woher plötzlich der Alkohol kam. Ich war hundemüde, dachte nur, wie ich den loswerden könnte und das so schnell wie möglich.

Was die Wohnung betraf, hatte ich zuvor nachgefragt, ob sie bezugsfertig sei, da ich mich mit meinem Mann während der Krise auch problemlos woanders hätte aufhalten können.

Das gesamte Kochgeschirr
Das gesamte Kochgeschirr, Foto: Rhonda

Bisher hatten wir entgegen sehr vielen ausländischen Mietern gute Erfahrungen mit unserer Vermieterin gemacht, aber hier nun hatte uns das Glück verlassen. Denn fast alle Haushaltsgegenstände u. a. Ess- und Kochgeschirr sowie Bettdecken und Heizungen fehlten, die bei der Besichtigung in der Wohnung vorhanden waren. Die Matratzen und die wenige Bettwäsche waren (sind) voll Hundehaaren und Stockflecken. Die Tierhaare hatten sich so in das Gewebe gebohrt, dass sie durch Reinigen bzw. Waschen nicht zu beseitigen waren.

Ende März war es sehr kalt und je nach Wetterlagen wehten oder stürmten die Winde gewissermaßen durch die Wohnung, da alle Türen und Fenster undicht waren bzw. sich gar nicht oder nicht richtig schließen ließen. Ich stopfte Alufolie, die ich vom Vormieter in der Wohnung fand, zwischen den  Balkontürrahmen und die Wände. In einem Schlafzimmer stand ein zusammen gerollter Teppich, den stellte ich zudem hochkant vor die eine Wandseite und den Balkontürrahmen,  um den Windzug zu mildern.

Trotz dieses ständigen Durchzugs hielt sich der Farbgestank über mehrere Tage und löste starke Kopfschmerzen bei mir aus, zudem fror ich erbärmlich.

Nachts trug ich ein Top,  ein T-Shirt mit langem Arm, zwei Paar Socken, eine lange Hose und meinen langen Bademantel.

Hundehaare in gebrauchter Decke
Hundehaare in gebrauchter Decke, Foto: Rhonda

Die Kopfkissen waren alle ekelhaft dreckig bzw. schimmlig, das sauberste legte ich unter ein Handtuch. Ich hatte nur eine dünne verhaarte Kunststoffdecke und eine versiffte Tagesdecke zum Zudecken, zum Warmhalten viel zu wenig.

Auch jedes Duschen in dem eiskalten Bad war eine Herausforderung.

Am Tag zog ich ein anderes Top, ebenfalls ein T-Shirt mit langem Arm, ein Pullover und eine Strickjacke darüber, zwei Paar Strümpfe übereinander, eine Hose und darüber einen langen dicken Rock an.

Vormittags habe ich die Wohnung Zimmer für Zimmer gründlich sauber gemacht. Nach dem Essen saß ich dann mit Couchkissen ringsherum und der dünnen ekeligen Hundehaardecke auf einer kaputten Couch. Im Endeffekt saß ich dort, ekelte mich und fror vor mich hin. Sowie meine Hände aus der Decke lugten, wurden sie eiskalt.

Da mein Mann auf Tierhaare allergisch reagiert, was bekannt war, hatte er – abgesehen von den fehlenden Heizungen, Bettdecken und der fehlenden grundlegenden Dinge, die man für einen 2-Personenhaushalt braucht – keine Chance zum Nachkommen. Sämtliche Sachen, in die sich die Hundehaare gebohrt hatten, hätten ersetzt werden müssen. Zudem hätte die Wohnung einer kompletten Spezialreinigung unterzogen werden müssen. Doch das alles interessierte den Vermieter nicht, im Gegenteil er wurde ärgerlich und bedrohte mich am Telefon.

Nach vielen telefonischen Diskussionen bekam ich für diese Wohnung mit 5 Zimmern nach einer Woche einen kleinen verdreckten Radiator (mit neun Rippen), der gerade zum Händewärmen reichte und eine schmutzige Baumwolldecke ebenfalls voll Hundehaaren.  Ich empfand das als Verhöhnung. Gerade in Zeiten von Corona erinnert so ein Vorgehen an die unrühmliche Eroberung Nordamerikas, als die Ureinwohner verseuchte Decken erhielten.

Keine Lebensmittel

Das nächste Problem stellte die Verpflegung dar. Ich ging davon aus, dass man in Quarantäne bevorzugt behandelt werden würde, da man keine Chance hatte, die Wohnung zu verlassen. Aber weit gefehlt. Entgegen der Hilfsbereitschaft, die ich in der Vergangenheit erfahren habe, wurde ich nun wie ein Pestkranker gemieden. Kein Mensch wollte mehr etwas mit mir zu tun haben.

Kein Lebensmittelgeschäft, kein Restaurant, obwohl ich in einigen gut bekannt war,  war bereit zu liefern, sowie das Wort Quarantäne fiel. Im Nachhinein halte die Ablehnung einer Lebensmittelbestellung aus Quarantäne-  Gründen rechtlich für nicht haltbar. Schließlich sind Lieferung und Bezahlung ohne Kontakt möglich.

Unter den von der Regierung eingerichteten Sondernummern gab es zwar freundliche Worte, aber die bestellte Lebensmittellieferung habe ich nie erhalten. Jeden Tag wurde ich nur auf den nächsten vertröstet, aber davon wurde ich nicht satt. Ich versuchte es in meiner Not über die Rufnummer der Polizei. Dort wurde ich nur barsch auf die Sondernummer verwiesen.

Meine zuständige Botschaft bestätigte mir zwar nach ein paar Tagen, dass ich für eine Lebensmittellieferung gelistet sei und man mir nun so schnell wie möglich diese zukommen lassen würde, aber dennoch kam sie nie an. Auch andere Hilfe wie die Reparatur meiner Brille oder das Bringen einer warmen Decke war über die dafür eingerichteten Sondernummern u. a. auch für 60+ nicht möglich.

Immerhin die Überprüfung der Quarantäne funktionierte. Gleich am ersten Morgen wurde ich telefonisch nach meinem Aufenthaltsort gefragt. Nach sieben Tagen standen drei Kontrolleure vor der Tür. Ihnen klagte ich dann meinen Hunger und einer von ihnen, ein Polizist half mir, indem er mir eine Liste der Geschäfte mit Lieferservice zukommen ließ, mit dem Hinweis, nur nichts von einer Quarantäne zu erwähnen.

Wie kann von Menschen verlangt werden in ihrer Wohnung zu bleiben, wenn sie nichts zu essen bekommen? Sollen sie verhungern?

Da ich mich auf die üblichen Essenlieferungen der Restaurants und Lebensmittelgeschäfte verlassen hatte und sowie nicht viel Gepäck (wieviel kg genau, erfuhr man nicht) zum Fliegen mitnehmen konnte, passten nur je 1 Packung Cornflakes und Knäckebrot sowie einige Tee-Beutel mit in den Koffer.

Auch brauchte ich dringend Wasser, da das Wasser, dass aus den Hausleitungen kommt,  nur gereinigtes Meerwasser ist. Zudem stehen diese Wasserbehälter auf den jeweiligen Hausdächern und man weiß nicht, wie einwandfrei dieses Wasser ist.

Nach endlos langen vier Tagen brachte die Maklerin meine Tasche und die gekauften Kleinigkeiten vorbei. Wenn grundlegende Dinge fehlen, wird allein dadurch jeder Tag zur Tortur. Aber Menschen, die zu Hause einen vollen Kühlschrank haben und einkaufen gehen dürfen, können sich vermutlich gar nicht in die Lage von jenen hineinversetzten, denen eine gähnende Leere aus dem Eisschrank entgegen starrt und die das nicht ändern können, weil es ihn bei Strafe verboten ist, die Wohnung zu verlassen. Selbst ein Stück einfacher Seife wird dann zum Luxusgut.

In Australien versuchte mein Mann alles, was möglich war, über das Internet zu erreichen. Es gelang ihm schließlich, eine Lebensmittellieferung für den ersten Samstag also am 8. Tag meiner Quarantäne zu organisieren.

Ex Bekannte, ex Freunde

Nach drei Tagen brachte ich einen Zettel mit meiner Telefon- und Apartmentnummer im Eingangsbereich unten im Hausflur an, dass ich Essen und Trinken bräuchte und deshalb jemand zum Einkauf suchte. Aber erfolglos! Unten im Haus wohnte ein junges Ehepaar und in der Etage unter mir bemerkte ich nach ein paar Tagen eine Frau mit kleinen Kindern.

Meine angeblichen Freunde verhielten sich auch nicht viel besser als der Vermieter. Mir wurde nur gesagt, was für tolle und hilfsbereite Verwandte und Freunde sie hätten.

Besonders Ron* war darin großartig. Obwohl er angeblich beste Kontakte zur Regierung hatte, und mir nochmals ein Paket für 5,- € über die Sondernummer bestellte, erhielt ich auch das nie. Wie er allerdings für mich etwas ordern wollte, ohne die dafür erforderlichen Daten über mich zu haben, blieb sein Geheimnis. Besonders nervte er damit, dass er ständig die 1.000,- € Strafe erwähnte, würde er mich besuchen, dabei war für mich das einzig Gute während dieser Zeit, dass er nicht kommen durfte.

Letzten Monat noch hatte sich Cindy* gefreut, dass ich in ein Haus nur eine Straße von dem ihrem entfernt einziehen würde. Sie schmiedete schon Pläne für unsere Freizeitgestaltung. Nun bat ich sie, via SMS mir zwei, drei Wasserflaschen vor die Tür zu stellen. Nach vier Tagen erhielt ich zur Antwort, daß sie inzwischen am anderen Ende der Insel wohnen und mir aber die Supermärkte Wasser liefern würden.

Mir zu helfen war für alle angeblichen Freunde und Bekannte ein Unding, schließlich war ich in Quarantäne. Dabei hätte ich zunächst nur die Namen und Telefonnummern der Geschäfte gebraucht, die die Sachen anboten, die ich dringend brauchte. Ohne Internet war mir das unmöglich.

Es war ein unerfüllbarer Wunsch, dass jemand für mich die dringend benötigten Dinge eingekauft hätte. Natürlich hätte ich alles bezahlt, auch für das Einkaufen als solches und die Fahrt-kosten. Die Sachen hätte man vor die Tür stellen können und ich hätte Geld unter der Tür durchschieben oder auf dessen Konto überweisen können. Es hätte genug Möglichkeiten gegeben, sofern man dann gewollt hätte.

Ich kannte den Inhaber, die Manager und viele Angestellte eines großen Hotels in der Nähe. Dort fragte ich per Mail, ob man mir eine Bettdecken leihen oder verkaufen könnte. Zu diesem Zeitpunkt gab es schon keine Gäste mehr. Lediglich eine unhöfliche Antwort erhielt ich und dass es Sache des Vermieters sei, ich mich ansonsten an eine Beschwerdestelle für Touristen wenden könne.

Ärgerlich war zudem, dass ich auch meine Sachen aus der Lagerung entgegen der Abmachung nicht erhielt.

Die Maklerin wollte mir entgegen allen anderen einreden, dass u. a. Bettdecken nicht zur Wohnung gehören würden. Sie würde ihr Apartment stets ohne Bettzeug vermieten, das müssten die Mieter mitbringen. Mir ist es zu einem schleierhaft wie das bei Touristen gehen soll und zum anderen, wenn jemand erbärmlich friert, dann muss man einfach helfen und nicht Tage lang nur diskutieren. Ich hätte auch eine Bettdecke bezahlt, hätte mir nur irgendjemand eine ge- oder verkauft.

Und was sollte ich bzw. sollten wir eigentlich mit einer Wohnung, in der man nicht schlafen konnte?

Ich kannte mich in der Hauptstadt Victoria sehr gut aus und dort auch sehr viele Geschäfte, aber wo ich dort warme Bettdecken nach meinen Vorstellungen kaufen konnte, wusste ich nicht. Zudem hatten viele Läden inzwischen geschlossen. Denn sonst wäre ich – Quarantäne hin oder her – selbst mit dem Bus hingefahren.

Eine Ärztin, die ich einmal konsultiert hatte, fragte ich per Mail, ob die Quarantäne aufgehoben werden würde, wenn sie mich testen würde. Zuerst kam nur eine kurze unfreundliche Antwort, danach wenigstens eine etwas freundlichere Nachricht, dass sie das auch nicht wüsste.

Linda*, eine Engländerin, von der ich dachte, dass sie schon längst das Land verlassen hätte, meldete sich überraschend bei mir. Als sie durch unsere Telefonate merkte, dass es mir aufgrund der Kälte stetig schlechter ging,  sorgte sie dafür, dass endlich ein Arzt kam und nahm mich bei sich auf, um mich zu pflegen und um gemeinsam die Krise zu überstehen.

Ich habe beim Verlassen der Wohnung tatsächlich daran gedacht,  diese alte versiffte Tagesdecke mitzunehmen. Ich hatte solch eine Angst vor Kälte, dass ich sie trotz des Drecks und des minimalen Kälteabhaltens als eine warme Quelle betrachtete, die ich nicht verlieren durfte.

Null TV, Radio, Internet, WiFi, Funk

Fernseher und kaputte Gegenstände
Fernseher und kaputte Gegenstände, Foto: Rhonda

Leider war auch die Aussage des Vermieters falsch, dass das Internet lediglich freigeschaltet werden müsste. Da dieser Anschluss beruflich für meinen Mann unabdingbar war, war das eine Voraussetzung für den Abschluss des Mietvertrages. Ron* und die Maklerin rieten mir, auf keinen Fall etwas von der Quarantäne zu erwähnen, wenn ich den Internetanbieter anrufen würde.

Der Provider brauchte aber einige Daten dazu, die mir im anschließenden Telefonat  mit dem Vermieter, dieser verweigerte. Angeblich rief er dann dort selbst an, um mir daraufhin mitzuteilen, dass wegen meiner Quarantäne niemand vorbei käme und ich nach Ablauf dieser Zeit deren Shop aufsuchen sollte. Der war aber schon längst aufgrund von Corona geschlossen.

Mein Mann versuchte aus Australien über die Homepage eines anderen Anbieters einen Internetanschluss zu bestellen. Dazu brauchten wir die Postleitzahl der Wohnung. Der Vermieter behauptete es gäbe keine und so musste ich mich wieder an die Maklerin wenden, die die Postleitzahl schnell herausfand. Aber inzwischen war aufgrund der Krise keiner mehr bereit, auswärts Termine wahrzunehmen.

Da eigentlich das öffentliche Mobilfunknetz an sehr vielen Orten hier gut verfügbar ist, versuchte ich es bei einigermaßem guten Wetter auf dem Balkon. Mit viel Glück kam ich auf die Seite eines Anbieters. Allerdings war diese Leistung kostenpflichtig und die Bezahlung in der Kürze der kostenlosen Verbindung vorzunehmen, erforderte zahlreiche Versuche bis es tatsächlich endlich gelang. Nach einer Woche war ich nicht mehr ganz von der Welt abgeschnitten. Aber ich jubelte zu früh, denn am gleichen Tag löste sich meine Lesebrille in Einzelteile auf.

Kaputte Gegenstände auf dem Balkon
Kaputte Gegenstände auf dem Balkon, Foto: Rhonda

Nun wurde es doppelt schwer, ich konnte die Schrift auf dem Handy schlecht sehen und die Verbindung auf dem Balkon war schwach und brach ständig weg, aber trotzdem gelang es mir wenigstens ein paar WhatsApps und Mails abzusenden und zu empfangen. Auch wenn ich an manchen Tagen Angst hatte, der Sturm würde mir das Handy aus den Händen reißen.

In und außerhalb der Wohnung war Funkempfang übrigens auch nicht möglich. Ein Radio gab es nicht. Wenn es abends draußen nicht zu stürmisch war, funktionierte ab und zu das Fernsehgerät, was mit italienischen Verkaufssendern und maltesischem Programm nicht sonderlich hilfreich war, um an Informationen und Abwechslung zu kommen.

Wenigstens informierte die Regierung ständig per Wurfzettel über die Corona Krise.

Der Vermieter

Um an diese Mitteilungen zu kommen, brauchte ich den Briefkastenschlüssel. Also fragte ich den Vermieter danach und welcher Briefkasten zu der Wohnung gehören würde. Da an zwei Briefkästen weder Name noch eine Wohnungsnummer stand.

Ich erfuhr, dass der goldfarbene zwar der richtige, aber ein Schlüssel nicht erforderlich wäre. Was er – wie bei ihm üblich – ebenfalls meinem Mann einreden wollte.

Natürlich behaarte ich auf dem Schlüssel, was wieder größere telefonischen Diskussionen mit sich brachte, bis meinem gutmütigen Mann der Kragen platzte und nun der Briefkasten-schlüssel in den Briefkasten eingelegt werden sollte.

Am nächsten Vormittag hörte ich Hupen und Rufe und sah vom Balkon aus einen älteren  Mann zu mir herauf blicken. Er rief, dass er den Briefkastenschlüssel in den Kasten einwerfen würde, worauf ich sofort mit nein antwortet und frage, wie ich ihn da heraus bekommen solle.

Worauf er erwiderte, er würde ihn dann eben in das Schloss stecken. Kurze Zeit später erkundigte sich bei mir der Vermieter, ob ich den Schlüssel erhalten hätte. Nun machte ich den Fehler, dieses zu Verneinen, was eine Beschimpfung auslöste. Ich hätte gefälligst sofort den Schlüssel zu holen, da er gestohlen werden könnte.

Mir war nicht klar, wer Interesse an einem Briefkastenschlüssel haben könnte, zumal die Umgebung wie ausgestorben war bis auf die jungen Nachbarn von unten, die mit der Reparatur eines Fahrrads direkt vor dem Haus beschäftigt waren. Allerdings wollte ich von denen nicht gesehen werden. So dachte ich, notfalls lieber ein paar Euros für einen neuen Briefkasten zahlen, als 1.000,– Euro für meinen widerrechtlichen Ausgang. Der Vermieter sah das anders und verleugnete meine Quarantäne, worauf ich meinte, dass der Mann den Schlüssel auch vor meine Wohnungstür hätte legen können. Daraufhin musste ich mir tatsächlich anhören, dann hätte ich nicht gewusst zu welchem Briefkasten er passen würde.

(…)

Es gefiel ihm von Anfang an nicht, dass ich die fehlenden Dinge bemängelte und alles angab, was nicht in Ordnung war, obwohl das sogar im Mietvertrag stand.

(…)

Die Eiseskälte, die fehlenden Heizungen, Betten, Geschirr, Haushaltsgegenstände, Internet und die Tierhaare verhinderten ein schnelles Nachkommen meines Mannes. Zudem bewirkte Corona, dass Flüge nicht mehr beliebig zu buchen waren.

Aus diesen Gründen kündigte ich dann fristlos zum Ende meiner Quarantäne das Apartment.

Ich war durch die Kälte sehr krank geworden und wusste nicht, wie ich allein ohne Auto und ohne offene Geschäfte die Krise bewältigten sollte. Der Vermieter fragte mich nur noch, ob ich meine Sachen heraus genommen hätte und wo ich den Schlüssel hinterlassen würde.

Über die Maklerin ließ er ausrichten, dass er mich aus dem Vertrag entlassen hätte, aber die Kaution und eine Vorausauszahlung gibt er dennoch nicht zurück. Leider scheint auch das auf Malta üblich zu sein, darüber steht genug im Internet. 

Meine Gefühle

Ich habe noch nirgends so erbärmlich gefroren wie in diesen 14 Tagen auf Malta. Der wenige schlechte Schlaf zusammen mit dem wenigen Essen und Trinken der ersten Tage hinterließen ihre Spuren im meinen Allgemeinbefinden. Keiner von denen, die mir zuvor Sympathie, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft entgegen brachten, heute muss ich sagen „vormachten“, hat mir in dieser Zeit Mitgefühl gezeigt, ein nettes Wort geäußert, geschweige denn geholfen. Dafür hatten sie reichlich dumme Sprüche via WhatsApps parat, die mich trübsinnig machten und abstumpfen ließen.

(…)

Von Seiten der Behörden wurde sachliches absolutes Desinteresse bekundet.

Lediglich die Freundlichkeit der Damen meiner zuständigen Botschaft half mir. Ich glaube, dass sie das Thema eiskalte Wohnung völlig unterschätzen, was ich aber doch auf ihre derzeitige Überarbeitung zurückführe. Von ihnen erhielt ich stets aufmunternde Worte, Tipps und Informationen, die mir weiterhalfen oder zumindest mir das Gefühl der Verlassenheit nahmen.

Der nervige Vermieter machte mir meine Hilfslosigkeit so richtig bewusst. Dieses ohnmächtige Gefühl, sich aufgrund der Situation nicht wehren zu können, war schrecklich. Irgendwie fühlte ich mich ihm ausgeliefert. Ich dachte, es wäre besser mich nicht zu viel zu beschweren. Was nutzte mir mein Recht, wenn er mich aus der Wohnung werfen würde? Wo sollte ich hin, fast alle Hotels hatten geschlossen? Ich bin mir sicher, ohne Hunger und Frieren wäre ich wesentlich mutiger gewesen.

Fast alle haben es sich leicht gemacht, Corona als Ausrede zu missbrauchen. Es war niveau- und respektlos, wie sie sich verhielten. Irgendwie traute ich mich dennoch nicht, mich wie sonst zu wehren. Da ich Hilfe benötigte, wollte ich es nicht mit allen verderben, obwohl ich tief in mir fühlte, dass sie mir sowieso nicht helfen würden.

Ich war allen gleichgültig. (…) Ich fühlte mich gänzlich verlassen und abgeschoben, völlig wertlos und nutzlos, es ist erniedrigend keine Hilfe zu bekommen. Ich habe viel geweint in dieser Zeit.  Ich habe mich gefragt, ob es wirklich jemand auffallen würde, wenn ich nicht mehr da wäre.

Ich wurde überempfindlich, jede telefonische Bemerkung meines Mannes wurde von meinem Inneren so ausgelegt, daß auch er mich nicht wirklich vermissen würde. Ich fühlte eine beginnende Leere in mir, die sich Tag für Tag mehr ausbreitete. Die guten Gefühle gingen verloren. Es wurde alles so sinnlos. (…)

Zwei Wochen Isolation hört sich so leicht an, aber es verlangt so viel von einem ab, was keiner für möglich hält, der es nicht schon selbst erfahren hat. Die Isolation wurde zu einem täglich schrecklicher werdenden Alptraum.

Ich war eingesperrt,  gefangen, in gewisser Weise grundlos,  denn ich war völlig gesund (was Corona anging).  Und auch wenn ich unter normalen Bedingungen gerne mal alleine bin, so ist es ein gewaltiger Unterschied, ob man freiwillig in einem Haus bleibt unter dem Aspekt jeder Zeit rausgehen zu können oder ob diese Option unter Strafe wegfällt.

Es ist wichtig, dass man einen Tagesablauf plant, an den man sich strikt hält, man darf sich auf keinen Fall gehen lassen und selbst aufgeben. Erst in so einer Situation spürt man wie wichtig und aufbauend der Kontakt mit anderen Menschen ist, damit sich keine schwermütige Gedanken sowie Angst und Panik einstellen.

Meine Panikattacken, die mich zuvor nie erreicht hatten,  wuchsen mit jeder neuen negativen Situation.  Hinzu kam eine permanente Angst, dass mein Handy, die einzige Verbindung zur Außenwelt seinen Geist aufgeben könnte. Angst, der Vermieter würde mich aus der Wohnung nicht raus lassen, würde mich dort für immer einsperren. Ich kam auf die verrücktesten Ideen. Ich hatte sogar Angst, ich würde meinen Mann und meine Kinder nie wiedersehen.

Panik stellte sich ein, als ich erfuhr, kleine Supermärkte würden geschlossen, als ich einen Mann beobachtete, der mehrmals mit seinem mit Lebensmittel vollgeladenem Auto vorfuhr, als der Spielplatz abgesperrt wurde. Einem Herzinfarkt war ich nah, als ich versehentlich eine falsche Nachricht der Botschaft erhielt, Air Malta hätte seine Sonderflüge eingestellt.

Dabei hätten schon ein paar freundliche Worte gereicht, jemand der von der Straße gewunken hätte, der einen angelächelt hätte, eine freundliche Geste. Es ist enorm wie aufbauend sehr solche kleinen Dinge sein können.

Ich sehne mit nach Nähe, nach der Nähe von Menschen, von Menschen, die ich lieb hatte. Ich wollte den Babypuder meines Enkels schnuppern, das Klacken der High Heels meiner Tochter hören, die kleine Hand meiner größeren Enkeltochter in meiner spüren, den Morgenkuss meines Mannes schmecken.

Nein, kein noch so schönes Foto, keine noch so lustige Video-Botschaft kann persönliche Besuche ersetzten. Kann die Aura, die Persönlichkeit von Menschen vermitteln.

Urplötzlich kam der Zeitpunkt, an dem ich auf diesen arroganten überheblichen Vermieter und alle anderen falschen Freunde wütend wurde. Vielleicht verbirgt sich hinter der Wut, der eigene Überlebenstrieb? Und ich wollte nur noch  raus aus dieser Situation. So fragte ich mich, was hier überhaupt mache. Eine Wohnung betrachtet man völlig anders, wenn sie zum einzigen Aufenthaltsort wird, den man nicht verlassen darf. Wenn man Zeit hat, alles zu betrachten und hinterfragen.

Ich war es gewohnt, bei Kälte die Heizung aufzudrehen,  kaltes oder warmes Trinkwasser aus dem Wasserhahn zu erhalten, über eine richtige Dusche mit genügend Wasserdruck, Geschirrspüler, Backofen, Eß- und Kochgeschirr zu verfügen. Ich musste doch für diese hohe Miete nicht so primitiv hausen?

Was hatte ich dafür? Meerblick! War er das wirklich wert? Ich wollte nur noch weg, ich wollte hier nicht einsam zugrunde gehen. Als ich das für mich beschloss, wurde ich von einer seltsamen Unruhe erfasst. Also nahm ich mit meiner Botschaft Kontakt auf, ob es eine Möglichkeit gäbe, hier noch wegzukommen. In die Vorbereitungen hier die Zelte abzubrechen, kam zum Glück Linda* wie zuvor erwähnt zur Hilfe.

Es hatte sich angefühlt, als wäre ich in ein gänzlich anderes Land ,mit völlig anderen Bewohnern zurück gekehrt, als das, das ich zwei Wochen zuvor verlassen hatte.  Ich spürte mein Platz war nicht mehr auf Malta, Malta hatte keinen Platz mehr für mich.

Fazit

Ich weiß, dass zu meiner Lage auch eine Handvoll Pech kam, aber was ich erfahren habe und, wenn ich die Zeitungsberichte während der Corona Krise hinzufüge, bin ich doch sehr von Maltas Regierung und Bewohnern enttäuscht. Darüber hinweg hilft auch die interessanteste Landschaft nicht. Die unterschiedlichsten Blautöne des Meeres haben mich stets auf’s Neue fasziniert und ich habe sie geliebt. Vielleicht werde ich es vermissen, aber dennoch steht für mich fest: nie wieder Malta!

Rhonda

 

* Namen aus Datenschutzgründen geändert

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

One thought on “Nie wieder Malta: Was Rhonda während der Corona Pandemie in Gozo erlebte

  1. Ich kann eigentlich nur Rhondas Geschichte bestätigen. Am Anfang der Corona Krise gab es erhebliche Schweirigkeiten bei der Einreise aus Frankfurt. Meine Frau nahm ein Taxi vom Flugplatz Luqa zur Fähre nach Cirkewwa. Als sie sagte sie komme aus Frankfurt wurde ihr der Zutritt verweigert. Sie rief mich an und fragte wie es weitergehen könnte. Ich fragte einen Taxiunternehmer. Der sagte ich habe jetzt alle Taxis abgemeldet und kann kein Auto schicken. Ich fragte bei der Polizei was ich tuen könnte. Diese sagte sie sei nicht zuständig. Daraufhin habe ich mein Auto genommen und bin mit der Fähre von Gozo nach Malta gefahren. Beim Paradise Hotel habe ich umgedreht und bin zurück zur Fährstation gefahren. Das bedeutete eine Zeitverzögerung von über einer Stunde. Letzten Endes habe ich meine Frau gefunden und durfte dann mit dem Auto zurück nach Gozo fahren. Inzwischen hat man jedoch auch in Malta gelernt. Man kann hier schneller einen Test bekommen als in Deutschland. Als meine Frau unlängst wieder von Deutschland nach Malta reiste bekam sie keinen Test in Deutschland. Als sie in Malta ankam wurde sie sofort getestet und bekam das Ergebnis nach 30 Minuten. Diesmal war ich jedoch so vorsichtig und habe meine Frau selbst am Flughafen abgeholt. Ich wollte kein zweites Mal in Gozo angerufen werden und die Nachricht bekommen Fluggäste aus Frankfurt haben keinen Zutritt als Fußgänger oder Footpassengers wie man hier im maltesischen englisch so sagt.

Kommentar verfassen